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Neues aus der Welt der Wissenschaft
 
ORF ON Science :  News :  Wissen und Bildung 
 
Verleihung der START- und Wittgenstein-Preise 2002  
  Am Mittwoch überreichte Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur Elisabeth Gehrer im Rahmen eines Festaktes im Bildungsministerium die Wittgenstein- und START-Preise 2002. Der Laserphysiker Ferenc Krausz, ein gebürtiger Ungar, erhält den mit 1,5 Millionen Euro bedeutendsten und am besten dotierten Wissenschaftspreis Österreichs. Weiters erhielten fünf Nachwuchsforscher START-Preise.  
Diese sind mit bis zu 1,2 Millionen Euro für sechsjährige Projekte dotiert. Die Spannweite der behandelten Themen reicht von der Wirtschaftsgeschichte des alten Babylon bis zu chronischen Gelenksentzündungen.
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Forschungsförderung seit 1996
Mitte der 90er Jahre versuchte der damalige Wissenschaftsminister Rudolf Scholten, neue Wege in der staatlichen Förderung der Spitzenforschung in Österreich zu gehen. Es wurde ein personenbezogenes Programm ausgearbeitet, das sowohl Nachwuchswissenschaftlern als auch arrivierten Persönlichkeiten durch Bereitstellung entsprechender Mittel ermöglicht, sich über mehrere Jahre ganz auf ihre Forschungsvorhaben zu konzentrieren. Im Auftrag des Minsteriums entwickelte der Wissenschaftsfonds (FWF) das Konzept für die START- und Wittgenstein-Preise und übernahm die Abwicklung beider Aktionen.
->   Mehr über die Geschichte der Preise in science.ORF.at
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Streben nach Erkenntnis und sportlicher Ehrgeiz
Bild: Universum Magazin /Christian Fischer
Ferenc Krausz
Nicht allein das wissenschaftliche Erkenntnisstreben, ein bisschen sportlicher Ehrgeiz sei schon auch dabei gewesen, als sich Ferenc Krausz im Jahr 1997 gemeinsam mit seinem Forschungsteam vom Institut für Photonik der TU Wien das Ziel vorgenommen hat, mit Hilfe von modernster Röntgenlasertechnologie die kürzesten Lichtpulse der Welt zu erzeugen und damit Prozesse im Inneren eines Atoms zu verfolgen - das Innere eines Atoms zu fotografieren.

Sport ist auch ein gutes Stichwort, um die Theorie hinter dem Experiment zu umschreiben: ¿Um bei einem Formel 1-Rennen ein Auto gestochen scharf zu fotografieren, braucht es eine Spezialkamera mit einer kurzen Belichtungszeit im Bereich von zehntausendstel Sekunden", erklärt der 40jährige Physiker und diesjährige Wittensteinpreisträger.
Die Herausforderung: Ablichtung von Elektronen
"Für die Ablichtung von Elektronenbewegungen in Atomen ist eine Technologie mit ganz anderen Belichtungszeiten notwendig. Wir bewegen uns da im Zeitbereich von weniger als dem Milliardsten Teil einer Zehnmillionstel Sekunde. Genauer gesagt handelt es sich dabei um so genannte Attosekunden.

"Am 10. September letzten Jahres ist es uns dann gelungen", führt Krausz stolz aus:" Kurz nach Mitternacht haben wir unsere erste Lasermessung mit ultrakurzen Lichtpulsen im Attosekunden-Bereich gemacht und einen Blick ins Innere eines Atoms werfen können."
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Die wissenschaftliche Laufbahn des Wittgenstein-Preisträgers
Die wissenschaftliche Laufbahn des gebürtigen Ungarn hat vor exakt 15 Jahren begonnen: Damals hat ihn der Wiener Laserphysiker Arnold Schmidt - Präsident des Wissenschaftsfonds (FWF) - als Assistent an die TU Wien geholt, wo der Wissenschaftler anfänglich an der Entwicklung neuer Lasertechnologien gearbeitet hat.

Inzwischen gehört das Forschungsteam um Krausz zur absoluten Weltspitze im Bereich der Femtosekunden-Laserphysik: Den Wienern ist es 1996 gemeinsam mit internationalen Kollegen gelungen, Lichtimpulse mit einer Dauer von 4,5 Femtosekunden zu generieren (eine Femtosekunde sind 10 hoch minus 15 Sekunden).
->   science.ORF.at: Ein Blick in das Innere der Atome
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Neuer Forschungs- und Anwendungsbereiche entstanden
Aus dieser Entdeckung haben sich nicht nur eine eigene Spin-Off-Firma - die FemtoLasers GmbH - und ein neuer Forschungsbereich - die Femtochemie - entwickelt, sondern auch etliche Anwendungsbereiche herauskristallisiert: vom Einsatz in der Zahn- und Augenheilkunde bis zur Verwendung in der Medizintechnik zur Erzeugung von Röntgenstrahlung.

¿Diese Röntgenpulse waren auch die Inititialzündung für die Forschungsarbeit zu den Attosekunden", so Krausz.

"Theoretische Physiker haben damals nämlich vorhergesagt, dass es möglich sein müsste, Röntgenpulse zu erzeugen, die deutlich kürzer sind als eine einzige Femtosekunde (eine Femtosekunde sind übrigens 1.000 Attosekunden). Damit war unser sportlicher Ehrgeiz geweckt."

Mit dem START-Preis, den Krausz 1996 als einer der ersten Wissenschaftler in Österreich verliehen bekommen hat - er ist nunmehr der erste Preisträger beider Forschungsauszeichnungen -, sei auch der finanzielle Grundstein für die Umsetzung seiner Visionen gelegt worden.
Intelligente Bausteine zur Schadstoffmessung
Der START-Preisträger 2002 und Physiker Wolfgang Heiss beschäftigt sich mit der Entwicklung neuer Nanobauteile und Konzepte, die es erlauben, mit Hilfe von optischer Spektroskopie im mittleren Infrarot-Bereich, das heißt bei Wellenlängen von drei bis 30 Mycrometer - auch einzelne Moleküle zu untersuchen - beispielsweise zur Messung von geringen Schadstoffmengen in der Luft.
Identifikation von Schadstoffen durch optische Messungen
¿Mit Hilfe optischer Messungen können bereits Schadstoffe wie Kohlendioxid, Stickstoffmonoxid oder Ozon eindeutig nachgewiesen und identifiziert werden", beschreibt der Wissenschaftler vom Linzer Institut für Halbleiter- und Festkörperphysik.

¿Im mittleren Infrarot-Bereich ist die Nachweisempfindlichkeit allerdings um einiges höher als bei Messungen im sichtbaren Spektralbereich oder im nahen Infrarot. Mit dem so genannten Blei-Salz-Laserspektrometer exsistiert bereits eine sehr gute Messmethode im mittleren Infraroten, die derzeit in der KFZ-Industrie eingesetzt wird." Diese könne aber nicht einzelne Moleküle erfassen, so Heiss.

"Der Vorteil des Geräts liegt in seiner sehr hohen spektralen Auflösung und in der kurzen Messzeit - diese Eigenschaften mache ich mir zunutze", wie der Wissenschaftler erklärt. In seinem START-Projekt will Heiss nun neue Bauelemente für diesen Blei-Salz Laserspektrometer entwickeln.
Pionierarbeit zu Babylon
Der START-Preisträger 2002 Michael Jursa, Orientalist und Alt-Philologe, leistet mit seinem Projekt Pionierarbeit: Erstmals in der Forschungsgeschichte der Altorientalistik erstellt der Wissenschaftler vom Wiener Institut für Orientalistik eine Gesamtdarstellung der Wirtschaftsgeschichte Babyloniens - Südmesopotamien, der Süden des heutigen Iraks - im ersten Jahrtausend vor Christus.

"Die Quellen dafür - gemeint sind Keilschrifttafeln mit ökonomischen und rechtlichen Inhalten - sind eines der drei größten erhaltenen Corpora innerhalb der schriftlichen Hinterlassenschaften des Altertums überhaupt", führt Jursa aus.
Erster Versuch einer umfassenden Gesamtdarstellung
¿Trotz - oder gerade wegen - der Menge dieser Texte ist aber bislang noch nie der Versuch einer umfassenden Gesamtdarstellung gemacht worden", so der Wissenschaftler weiter.

Das Projekt erörtert Fragen der Demografie, Siedlungsstruktur oder Landwirtschaft ebenso, wie Probleme des marktwirtschaftlichen Güteraustauschs, der Geldverwendung oder der Preis- und Lohnentwicklung.
->   Mehr zu den Forschungsschwerpunkten von Michael Jursa
Kampf gegen die Knochenzerstörung
Der START-Preisträger 2002 und Mediziner Georg Schett widmet sich einem bislang wenig beachteten Krankheitsfaktor der rheumatoiden Arthritis: der schubförmige Zerstörung von Gelenksknorpeln und -knochen im Zuge dieser schmerzhaften Gelenkserkrankung, bei der es vorrangig zu einer chronischen Entzündungsreaktion der Gelenksinnenhaut kommt.

¿Obwohl die Gelenkszerstörung der wesentliche Faktor für die funktionelle Beeinträchtigung der Patienten ist, sind die molekularen und zellulären Mechanismen dieser Destruktion weitgehend unbekannt", so der Wissenschaftler von der Abteilung für Rheumatologie der Uniklinik für innere Medizin am AKH Wien.
Die Rolle der knochenresorbierenden Zellen aufklären
¿Man vermutet allerdings, dass so genannte Osteoklasten - knochenresorbierende Zellen - für die Zerstörung verantwortlich sein könnten. Mit meiner Arbeit möchte ich die Rolle dieser Zellen bei der Gelenkszerstörung im Rahmen der Arthritis aufklären", erklärt Schett.
->   Klinische Abteilung für Rheumatologie
Die erweiterte Realität in der Studierstube
Der START-Preisträger 2002 und Informatiker Dieter Schmalstieg ist auf der Suche nach innovativen Informationstechnologien, die ein drahtloses und mobiles Arbeiten am Computer außerhalb der Büroumgebung ermöglichen sollen.

Kurz gesagt: Der Wissenschaftler vom Institut für Softwaretechnik und Interaktive Systeme der TU Wien arbeitet am portablen dreidimensionalen Computersystem, das jederzeit und überall zur Verfügung steht und einsetzbar ist: Im Restaurant um die Ecke ebenso, wie im Dschungel von Costa Rica.
'Augmented Reality' durch Einblendung von 3D-Grafiken
"Die zugrunde liegende Technologie ist die so genannte 'Augmented Reality' - das bedeutet soviel wie erweiterte Realität - mit der man 3D-Computergrafiken mittels halbdurchsichtiger Miniatur-Bildschirme in das Sichtfeld des Benutzers einblendet - zum Beispiel auf einem Bildschirm in der Hand oder einen, der in eine Brille eingebaut wird", erklärt Schmalstieg.

Der Computer kann dann direkt vor Ort und auf die Situation bezogen weiterführende Informationen liefern - beispielsweise den Weg zum Museum oder Fachdaten bei der Autoreparatur.

Dazu arbeitet der Informatiker seit einigen Jahren an der Entwicklung eines weltweit einzigartigen multimedialen Infrastruktur, der so genannten "Studierstube" - angelehnt an die Faust'sche Studierstube -, einer Plattform, die Augmented Reality-Technologie, 3D-Darstellung und Vernetzung kombiniert.
->   Studierstube Augmented Reality Project
Mathematik in der dritten Dimension
Der START-Preisträger 2002 und Mathematiker Joachim Schöberl arbeitet an der mathematischen Beschreibung und Modellierung dreidimensionaler Problemstellungen, wie sie sich bei magnetischen Feldern oder mechanischen Deformationen an Materialien ergeben, mit dem Ziel eine neue Software zur Computersimulation derartiger Problemfelder zu entwickeln

"Solche real-life Probleme wie die mathematische Beschreibung der Verteilung von Materialspannungen in einer Kurbelwelle lassen sich mittels partieller Differentialgleichungen näherungsweise darstellen", erläutert der Wissenschaftler vom Linzer Institut für Numerische Mathematik.
->   Institut für Numerische Mathematik in Linz
Leistungsfähigste Methode zur Computersimulation
"Die derzeit leistungsfähigste Methode zur Computersimulation solcher Modelle ist die so genannte 'Finite Elemente Methode': Dabei werden die zu berechnenden Objekte in viele kleine Elemente wie Dreiecke, Tetraeder oder Quader zerlegt, um sich über diese mathematische Beschreibung der Einzelteile und ein großdimensionales Gleichungssystem einer Lösung anzunähern."

Mit den rasch anwachsenden Rechenleistungen moderner Computer können die Modelle zwar immer genauer gelöst werden. ¿Je größer das Problemfeld aber wird, desto wichtiger sind natürlich effiziente Algorithmen", so Schöberl.

Aus der Kombination zweier Rechenversionen der Finite-Elemente-Methode arbeitet der Mathematiker nun an der Verbesserung der so genannten hp-Version, mit der zweidimensionale Problemfelder bereits zufrieden stellend gelöst werden können.

Eva-Maria Gruber, Universum Magazin
->   Die START- und Wittgenstein-Preisträger 2001
->   Universum Magazin
->   FWF Der Wissenschaftsfonds
 
 
 
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01.01.2010